Humboldt-Universität zu Berlin - Medienwissenschaft

Kolloquium

Dr. Stefan Höltgen: "Der springende Punkt"

  • Wann 23.10.2013 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Die Frage, ob und wie Medien die Wirklichkeiten ihrer Nutzer konstruieren ist, betrachtet man sie nicht bloß als soziologisches Problem, eine zentrale Frage jeder Medienepistemologie. Denn in der medialen Konstruktion von Wirklichkeit schreibt sich das Medium immer schon ein, weshalb die Analyse des Konstruktes immer auch eine Analyse des Mediums sein muss. Ausgehend von einer frühen sprachlichen Beschreibung eines physikalischen Vorganges aus der Kinetik ("Der springende Punkt") durch Aristoteles wird über drei theoretische Scharniere (S. J. Schmidt, F. Kittler, C. Pias) ein Sprung in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts unternommen, in welchem Analog- und Digitalcomputer mit der "Beschreibung" desselben physikalischen Vorgangs betraut wurden, diesen jedoch nicht mehr nur in (programmier)sprachliche Codes kleiden, sondern ihn ihren technischen Aprioris unterwerfen. Im Vortrag wird die unterschiedliche "Simulationstätigkeit" desselben physikalischen Vorgangs durch fünf Sprachen demonstriert: die menschliche Sprache, die analog-elektronische Schaltung (auf dem Telefunken RA-742), die Implementierungen in ANSI-C (auf dem Commodore Amiga), Locomotive BASIC (auf dem Amstrad CPC) und 6507-Assembler (auf der Atari VCS). Dabei wird en passant versucht zu zeigen, warum solche Demonstrationen stets in Echtzeit erfolgen müssen (und damit an ein "Medientheater" gebunden sind) und - im Hinblick auf ein laufendes Buchprojekt -, wie die jeweiligen Simulationen das Wissen um die Grenzen und Möglichkeiten des Computers in der "Retrospektive" nutzbar machen.
 
Dauer ca. 60 Minuten mit vier unterschiedlichen Simulationsdurchläufen in Echtzeit - danach: Diskussion
 
 
Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Martin Donner: "Äther und Information. Aprioris des Medialen im Zeitalter technisierter Kommunikation" (Magister-Arbeit)

Martin Donner: "Äther und Information. Aprioris des Medialen im Zeitalter technisierter Kommunikation" (Magister-Arbeit)

  • Wann 06.11.2013 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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In einer vielbeachteten Rede vor der Gesellschaft der deutschen Naturforscher und Ärzte erläutert Heinrich Hertz im Jahr 1889 seinem Publikum: "Der heutigen Physik liegt die Frage nicht mehr ferne, ob nicht etwa alles, was ist, aus dem Äther geschaffen sei? Diese Dinge sind die äußersten Ziele unserer Wissenschaft, der Physik." Nur ein Jahrhundert später, im Jahre 1990, ist John Archibald Wheeler, ein prominenter Vertreter der Digitalen Physik, seinerseits überzeugt: "It from bit … every it — every particle, every field of force, even the spacetime continuum itself — derives its function, its meaning, its very existence entirely — even if in some contexts indirectly — from the apparatus-elicited answers to yes or no questions, binary choices, bits."

Die vorzustellende Skizze einer Abschlussarbeit im Fach Medienwissenschaft geht der strukturellen Analogie dieser beiden Aussagen nach und sucht ihr Zustandekommen aus medienepistemologischer Perspektive zu beleuchten. Da es sich weder beim Äther noch beim (mathematischen) Informationsbegriff um vollständig homogene Konzepte handelt, wird ein grober Überblick zu geben sein, um derart gewappnet die Frage erörtern zu können, inwieweit der Informationsbegriff möglicherweise einen Äther 2.0 abgibt. Vorausgreifend sei hierzu bereits angemerkt, dass es trotz ähnlichem Universalitätsanspruch natürlich gravierende Differenzen zwischen beiden Konzepten gibt, die – wie es sich zum derzeitigen Stand der Arbeit und entgegen der üblichen Wissenschaftsgeschichtsschreibung darstellt – möglicherweise eher verschränkt denn distinkt auftreten.

Gusztáv Hámos: "Foto / Film / Medium"

  • Wann 20.11.2013 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Fotofilme sind Filme, die im Wesentlichen aus stillstehenden Fotografien bestehen, die unsere Sehgewohnheiten hinterfragen, die uns das Kino denken lassen. Fotofilme verlangen nach einem aktiven, reflektierenden Zuschauer. Denn sobald das Bild im Film steht, lädt es uns zur Kontemplation ein und wir finden Gefallen an dem »mehr Sehen«, auch daran, am Bilderstudium des Autors beteiligt zu sein, das Bild als Begriff zu interpretieren, an den imaginären Erweiterungen, zu denen wir inspiriert werden. Der Fotofilm öffnet Zwischenräume: Zwischen den unbewegten Bildern im Film befinden sich »mögliche Räume«, »fruchtbare Plätze«, die durch Imagination aufgeladen werden.

Fotofilme sind experimentelle Labore, die uns erlauben, das Filmische neu zu denken und einen Diskurs zu führen zum Stillbild im kinematografischen Kontext.

Mit dem zweiten Bild einer Bilderserie wird ein Notationsverfahren entwickelt, durch das sich die fundamentale Differenz zwischen dem natürlich Erfahrbaren und dem von den Medien aufgezeichneten Leben deutlich feststellen lässt.  Fotografische Programme lassen das Unwahrscheinliche wahr erscheinen; so wie Marey die unfassbaren Bewegungsabläufe für die menschliche Wahrnehmung fassbar machte.

Das Stillbild in kinematografischen Kontext hinterfragt die menschliche Zeitwahrnehmung und damit auch die filmische Zeit: das Foto im Film versichert uns, dass das, was wir jetzt sehen, zweifellos dagewesen ist. Es gibt uns diese Referenz des Vergangenen in der «kinoeigenen Gegenwart» und lässt uns damit (an) alle weiteren Zeitdimensionen denken.


Fotofilm_Onlinekatalog


In der 2010 erschienenen Publikation Viva Fotofilm – bewegt/unbewegt (Herausgeber: Gusztáv Hámos, Katja Pratschke, Thomas Tode, Seiten 368, 700 Abbildungen), veröffentlichten wir im Anhang erstmals eine chronologisch geordnete Filmografie mit mehr als 200 Filmtiteln. Die Filmliste ist das Ergebnis von 6 Jahren Recherche, sie bildet das Ausgangsmaterial für das Vorhaben Fotofilm_Onlinekatalog.

Die international angelegte Filmografie umfasst Filme aus einem Zeitraum von 1948 bis 2012 mit FilmemacherInnen wie Chris Marker, Agnès Varda, Hollis Frampton, Alain Resnais, Sergej Eisenstein, Raul Ruiz, Jean-Luc Godard, Hollis Frampton, Arthur Lipsett, Leonore Mau & Hubert Fichte, Elfi Mikesch, Peter Nestler, Jürgen Böttcher, Hartmut Bitomsky, Silke Grossmann, Ken Jacobs, Sirkka-Liisa Kontinnen, Shelly Silver, Sean Snyder, Takashi Ito, Nagashi Oshima, Satake Maki, u.a.

Fotofilm als Wahrnehmungsexperiment erinnert uns daran, dass das Medium Film sich nicht im Unterhaltungskino erschöpft, sondern noch ganz andere Funktionen haben kann. Die Medienkunst und Medienwissenschaft ruft weitere Optionen der Wahrnehmungserweiterung in uns wach, im Kampf gegen die Beschränkung durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Medienpraxis.

Der Fotofilm, der nach aktiven Zuschauern verlangt, will die anekdotische, diegetische Darstellung nicht unbedingt zerstören, sondern subvertieren, »die Subversion von der Zerstörung trennen«. Das eigentlich Filmische ist weder in der Bewegung, noch in der Narration zu finden, sondern in einem »dritten Sinn«, der nach Barthes dort einsetzt, wo »die Sprache aussetzt« und Platz macht für ein Verstehen, das bislang nicht in Worte gefasst werden konnte.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Dr. Shintaro Miyazaki: "Wilde Oszillationen. Der Chua-Schaltkreis als operatives Modell für pfadabhängige Prozesse"

Dr. Shintaro Miyazaki: "Wilde Oszillationen. Der Chua-Schaltkreis als operatives Modell für pfadabhängige Prozesse"

  • Wann 27.11.2013 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Non-lineare Systeme lassen sich nicht nur durch logistische Gleichungen mathematisch erfassen, sondern die chaotische Dynamik solcher Systeme lässt sich durch einfache Schaltkreise physikalisch modellieren. Einer der bekanntesten und einfachsten Schaltkreise dieser Art ist „Chua's Circuit“, der 1983 an der Waseda University in Japan von Leon Chua, damals Visiting Researcher von der University of California Berkeley, entwickelt wurde. Der Vortrag legt die medientheoretischen Potentiale dieses „wilden Dings“, ein chaotischer Synthesizer, dar.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Christopher Lorenz: Status Quo 2.0 Dissertationsprojekt „Das Zeit-Kritische Feld als weitere Form der Manipulation durch Medien des 20. und 21. Jh.“

Christopher Lorenz: Status Quo 2.0 Dissertationsprojekt „Das Zeit-Kritische Feld als weitere Form der Manipulation durch Medien des 20. und 21. Jh.“

  • Wann 04.12.2013 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Theodor W. Adornos medienkritische Thesen – als wohl prominentester Beitrag gilt das in Zusammenarbeit mit Max Horkheimer entstandene Kapitel „Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug“ aus der Dialektik der Aufklärung (1947) – müssen in ihrer Gesamtheit mit Perspektive der technikepistemologisch orientierten Medienwissenschaft stark gemacht werden. Folglich wird in diesem Dissertationsprojekt das Ziel verfolgt, die „Zeitkritik“ an Massenmedien in eine andere Lesart zu überführen und mithilfe von Adorno selbst zu fragen:

Wie verstehen wir Manipulation seitens der Medien, wenn ebendiese heute im mikrotemporalen Bereich algorithmenbasiert prozessieren, entscheiden und somit selbst eine Akzentverschiebung des Begriffs „Medien (-Zeit)-Kritik“ anregen, die den Anspruch der Kritischen Medientheorie ebenso aktualisiert wie transzendiert?

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Annie Goh: "Sonic Media Archaeology - Between 'gnosis' and 'episteme'?" (Arbeitstitel)

Annie Goh: "Sonic Media Archaeology - Between 'gnosis' and 'episteme'?" (Arbeitstitel)

  • Wann 18.12.2013 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Junge Forschung aus dem Feld der Archäoakustik weist auf die zentrale Rolle des Hörens in "prähistorischen" Kulturen hin. Die oft im Feld der Sensory Studies und Sound Studies kritisierte Dominanz des Sehens in westlichen Kulturen erscheint in diesem Fall unser allgemeines Verständnis früherer Kulturen wesentlich zu verzerren. Mit einem erweiterten Begriff von Medienarchäologie, möchte ich archäoakustische Befunde (beispielsweise die Höhle), als medienarchäologische Forschungsgegenstände lesen. Daraus möchte ich der Kritik der Dominanz des Sehens (Okularzentrismus) epistemologisch nachgehen und Sonic Media Archaeology als Alternative zur Diskussion stellen.
Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Dr. Roland Wittje: "Viel Lärm um nichts oder doch alles nur Schall und Rauschen? Klänge und Geräusche 1863 - 1936"

Dr. Roland Wittje: "Viel Lärm um nichts oder doch alles nur Schall und Rauschen? Klänge und Geräusche 1863 - 1936"

  • Wann 08.01.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Nach dem Ersten Weltkrieg bewegten sich Geräusche und Störschalle von der Peripherie in das Zentrum des akustischen Interesses. Gleichzeitig veränderten sich die Konzepte von Geräusch und Lärm fundamental. Akustik war zuvor hauptsächlich eine Wissenschaft der Musik. Laut ihrer einflussreichsten Vertreter, Hermann Helmholtz und Lord Rayleigh, teilte sich die Welt der Schalle in musikalische Klänge einerseits und Geräusche andererseits; es waren wesentlich die ersteren, mit denen sich die Akustik beschäftigte. Diese Definition erwies sich zunehmend als problematisch. Frederic Charles Bartlett konstatierte 1934, dass sich die physikalische Definition von "Noise" als Schalle, die aus nichtperiodischen Schwingungen zusammengesetzt sind, zumindest betreffend der Experimentalpsychologie als unbrauchbar erwiesen habe.

Technik- Medizin- und Kulturhistoriker haben sich mit Geräuschen und Störschallen in der Zeit zwischen den Kriegen bisher besonders im Kontext der Anti-Lärm Bewegungen und der modernen Stadt beschäftigt. In meiner Präsentation werde ich ein davon abweichendes Bild präsentieren und auf die Zusammenhänge und Unterschiede der Begriffe 'Lärm', 'Geräusch' und 'Rauschen' eingehen. Ich möchte dabei drei wichtige Entwicklungen ansprechen, die die Konzepte und die Bedeutung von Geräuschen und Störschallen in der wissenschaftlichen Akustik transformierten: Die Mobilisierung von Akustik und Akustikern im Ersten Weltkrieg, die Verbreitung von elektroakustischer Medientechnologie, speziell Telefon, Radio und Tonfilm, und das Aufkommen der vergleichenden Musikwissenschaften.

Prof. Dr. Horst Völz: "Zum Zusammenhang von Fehlern und Widersprüchen"

  • Wann 15.01.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Unerwünschte Fehler und Widersprüche treten fast überall und immer wieder auf. Sie beruhen u. a. oft auf Zufälle, falsche Annahmen oder Absichten. Hier wird versucht, eine gemeinsame Grundlage herauszuarbeiten. Bei digitalen Signalen ist zwischen 0 und 1 ein beachtlicher unzulässiger Spannungs-Bereich erforderlich. Infolge unterschiedlicher Störungen beeinflusst bei der Übertragung, Verarbeitung, Speicherung und Analog-Digital-Umwandlung seine Größe ganz wesentlich die auftretende Fehlerwahrscheinlichkeit. In der formalen (binären) Logik (Boole’schen Algebra) existiert der Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Hierauf beruhen verschiedene Antinomien usw. Sie gipfeln in der Goedel-Unentscheidbarkeit. Es wird versucht, zwischen dem unzulässigen Bereich und den (logischen) Widersprüchen einen Zusammenhang zu finden und dann auf andere Gebiete zu übertragen. Der letzliche gemeinsame Ursprung von Fehlern und Widersprüchen liegt offensichtlich in der sehr hohen Komplexität der Wirklichkeit, die jenseits unserer Auffassungsmöglichkeiten liegt. Fehlerarmen (-freien) Methoden verlangen daher deutliche Bereicheinschränkungen sowie Kompressionen im Sinn von Algorithmen usw. Die so entstandenen Ergebnisse sind dann aber nicht mehr fehler- und widerspruchsfrei auf die Wirklichkeit zu übertragen.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Maike Hanspach: "maschine && fraktal – Die Implementierung, Inszenierung und Auswirkung des Fraktalen auf den digitalen Rechenprozess" (Master-Arbeit)

Maike Hanspach: "maschine && fraktal – Die Implementierung, Inszenierung und Auswirkung des Fraktalen auf den digitalen Rechenprozess" (Master-Arbeit)

  • Wann 22.01.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Die Arbeit ist derzeit noch stark im Entstehungsprozess, der Titel wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingelöst werden können. Vielmehr wird die Skizze einer Zeitreise vorgestellt vom Auftauchen der ersten Fraktale und der zentralen Rolle der Computerhardware im neuen Feld der experimentellen visuellen Mathematik, kurz vorbei an den Auswirkungen auf verschiedene Wissenschaftsfelder, hin zu der Auseinandersetzung mit der Bedeutung von digitaler Bildverarbeitung als Modell in Form von  Computergrafiken/Simulationen.

1975 veröffentlicht Mandelbrot „Les Objects Fractals: Forme, Hasard et Dimension“; der Durchbruch seiner Fraktaltheorie gelang ihm aber erst durch das Hinzuziehen von Computergrafiken und dem damit ausgestatteten Folgewerk („Die fraktale Geometrie der Natur“). Erst die Visualisierung  abstrakter Mathematik macht sie für die breite Öffentlichkeit bemerkenswert und sichtbar. Eine Kommunikationsstrategie unter der Möglichkeitsbedingung von Computersimulation. Seither geistert die Fraktaltheorie durch unzählige Wissensgebiete.

Im Rahmen des Kolloquiums sollen im zweiten Teil zwei Medientheoretiker zur Sprache kommen, nämlich Baudrillard und Kittler, welche sich auf unterschiedliche Weise dem Phänomen des Fraktalen annehmen.

1986 erscheint Baudrillards „Subjekt und Objekt: Fraktal“; drei Jahre später sein berühmter Aufsatz „Videowelt und fraktales Subjekt“ in „Philosophien der neuen Technologie“. Er beschwört ein simuliertes neues Ich, tausendfach zersplittert und identisch reproduziert, fraktal, beheimatet auf Bildschirmen. Doch philosophiert er dabei weit über die sozial-politische Dimension hinaus Richtung einer Theorie fraktaler Informationsverteilung in interaktiven Systemen. 

In zahlreichen Schriften Kittlers, darunter „Computergraphik – eine halbtechnische Einführung“ sowie „Fiktion und Simulation“, wird nicht nur die Faszination für das Apfelmännchen und damit implizit für die Simulation von mathematischen Irrealitäten deutlich, sondern ist überdies eine Sensibilität für fraktale Strukturen im System des digitalen Rechenprozesses lesbar. 

 

 

 

 

 

 

 

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Maxi Bethge: "Der Tod des Todes - Die Wiederauferstehung des Menschen im medienspezifischen Diskurs" (Master-Arbeit)

Maxi Bethge: "Der Tod des Todes - Die Wiederauferstehung des Menschen im medienspezifischen Diskurs" (Master-Arbeit)

  • Wann 29.01.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Seit es das Internet und soziale Medien gibt, erlebt die Menschheit einen Wandel im Umgang mit dem Tod und der Trauerkultur. Virtuelle Gedenkstätten und sogenannte Memorialseiten befreien die Toten aus ihren Gräbern und ermöglichen ihnen die Rückkehr in die Öffentlichkeit. Mithilfe von modernsten Kommunikationstools sind die Toten nur temporär abwesend und können unendlich technisch aufgerufen werden.

Der Tote braucht keinen Körper mehr, um als lebendig wahrgenommen zu werden und somit präsent zu bleiben. Medientechniken nehmen mit der schrittweisen Konservierung die Aufhebung des Todes vor, lassen sie in das Reich der Lebenden zurückkehren, wo sie unsterblich bleiben sollen.

Doch kann man diese Prozesse in der digitalen Welt überhaupt als Wiederauferstehung bezeichnen? Und wenn ja, wie stehen die analogen Medien dem gegenüber? Wie haben Photographie, Grammophon, Telefon oder Film zum Tod des Todes beigetragen? Inwiefern können Medien uns unsterblich machen?

Mit dem Aufkommen von neuen Medien werden auch automatisch neue Phantasmen geboren. So auch in dem Umgang mit dem Tod. Im Kolloquium soll der derzeitige Stand meiner Masterarbeit abgebildet werden. Dabei werden die Möglichkeiten einer Wiederauferstehung einzelner Medien anhand von Beispielen zu den medientechnischen Entwicklungen im analogen Bereich dargestellt. Dies betrifft Roland Barthes und seine Suche nach dem Wesen der Photographie,  Edisons Phonograph und die Ideen von Helmholtz, Walther Rathenau und seine Ressurection Company zum Thema Telefon, sowie Kittler und Matuszewski in der Auseinandersetzung mit dem Medium Film.

Interessant wird es, wenn auf Grund der allgemeinen Digitalisierung allmögliche Prozesse des Lebens in Bits und Bytes als Datenströme zusammengeführt werden. Aus der Mechanisierung wird eine Automatisierung. Finden hier noch Wiederauferstehungsprozesse statt? Diesem Punkt soll im Kolloquium dann gern in Form einer Diskussion mehr Raum gegeben werden. 

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Christoph Maurer: "Analog 2.0: der Memristor. Aktuelle Perspektiven der sub-symbolischen Informationsverarbeitung" (Magisterarbeit)

Christoph Maurer: "Analog 2.0: der Memristor. Aktuelle Perspektiven der sub-symbolischen Informationsverarbeitung" (Magisterarbeit)

  • Wann 05.02.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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1971 fundierte Leon Chua nicht nur die nichtlineare Netzwerkanalyse mathematisch sondern bewies dabei ebenfalls, dass es neben den drei bekannten passiven elektrischen Bauelementen [Widerstand, Kondensator, Spule] ein weiteres geben muss, den Memristor, ein Amalgam aus Speicher (Memory) und Widerstand (Resistor). Dass Schaltungsingenieure schon vor Chua von anomalen Verhalten berichteten (Effekte der Memristivität), und erst in jüngster Zeit physikalische Implementierungen des Memristors gefunden wurden, ist sowohl auf die Ignoranz der Ingenieure gegenüber der Mathematik Chuas zurückzuführen, als auch auf die technologische Machbarkeit als auch Dringlichkeit eines solchen Bauelements. Als sowohl logisches Schaltelement als auch nicht-flüchtiger Speicherbaustein stellt es nicht nur die Von-Neumann-Architektur in Frage.

Chua verwies darauf, dass es zur Zeit seiner Veröffentlichung keine bekannte physikalische Realisierung eines Memristors gab, ausser der Synapse in neuronalem Gewebe. In neueren Anwendungsfällen, den sogenannten Neuromorphen Schaltkreisen, findet der Memristor unter dem Namen Neuristor (Neuron & Resistor) eine weitere Verwendung. Unter dem Paradigma des Konnektionismus bilden die Neuristoren die elektrischen Schaltelemente von künstlichen Neuronalen Netzen. Als nichtlineare dynamische Systeme firmieren diese parallel arbeitenden Netze unter dem Banner der sub-symbolischen Informationsverarbeitung, aber eben nun im Realen.

Wenn Neuronale Netze mittels Memristoren in Hardware realisierte werden, stellt sich die Frage nach dem Status des Analogen neu. Meine These ist, dass es sich um ein anderes Analoges handelt, als es die prädigitalen Rechenverfahren exemplifizieren. Die These soll in Kontrast zu drei Theorieangeboten gestellt werden:
- Zu einem zweiten Realen bei Lacan, das auf Unmöglichkeiten in den Beziehungen zwischen den Elementen der symbolischen Ordnung zurückführen ist.
- Zu dem re-entry des Begriffs Hegels, der als Differenz zur Natur wieder in sie zurückkehrt und damit die Hegelsche Idee des Lebens als proto-kybernetisches Modell eines Regelkreises realisiert.
- Zu dem ontologischen Prinzip in Whiteheads Prozessphilosophie, das den actual entities sowohl einen mentalen als auch einen physischen Pol zuspricht, und damit eine vom Menschen unabhängige Zweckmässigkeit.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Rico Hartmann: "Linien, Loops und Knoten – Zu den Zeitstrukturen technischer Medien" (Magisterarbeit)

Rico Hartmann: "Linien, Loops und Knoten – Zu den Zeitstrukturen technischer Medien" (Magisterarbeit)

  • Wann 12.02.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Die Zeitvorstellungen abendländischer Kultur sind von der griechischen Antike bis in das Mittelalter vorwiegend linear geprägt, von einem an der (Schrift-)Sprache orientierten Verlauf eines irreversiblen Kontinuums mit bestimmtem Ursprung und Endpunkt. Zwar ist schon für Aristoteles Zeit «die Zahl der Bewegung» und er lässt Widersprüche in Form des rhetorischen Hysteron-Proteron zu, Téchne und Physis unterliegen aber konstanten Ideen und Logik dem starren Kausalnexus eines Tertium non datur.

In der Neuzeit setzen sich langsam parallel dazu die mittelalterlichen Denkfiguren kreationistischer und diagrammatischer Bewegung durch; das alte, naturorientierte Verständnis wiederkehrender Zeitfolgen kommt wieder auf. Der Buchdruck tritt mit seinen beweglichen Lettern und endlosen Reproduktionsserien neben die Uhrwerke, Fließbänder und Wärmekraftmaschinen, sowie die photo-, phono- und kinematographischen Apparate der Moderne. Die Wiederholungen rotierender, reproduzierender Systeme werden zum epochalen Grundprinzip; neben die statische, lineare Zeit treten Fluktuationen. Zeitwahrnehmung wird zum relativen Apriori eines Beobachters, in der sich Zeitformen verschränken, man spricht von der «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen» (Bloch).

Im Computerzeitalter kommt die Dynamisierung zum Höhepunkt, neben die vormaligen Zeitfiguren tritt die nonlineare Historizität der Systeme (DeLanda, Simondon) mit unkalkulierbaren Temporalitäten. Die Zyklen verdrehen sich zu Schleifen (Hofstadter), man spricht von der «Beobachtung zweiter Ordnung» (von Foerster), von «Dromologie» (Virilio), Zäsuren (Foucault), «Mille Plateaux» und dem «Rhizom» ohne Anfang und Ende (Deleuze) als Internetmetapher, man spricht von Chaos, Fraktalen und Paradoxien. Die Dinge lösen sich auf, werden pluralistisch, verstricken und verknoten sich und kommen in abstrakten Maschinen, «Agenturen» (Latour) oder «Dispositiven» (Foucault) mit komplexen Mustern und Abläufen wieder zusammen.

Nimmt man diesen Wandel als Ausgangspunkt, bedeutet das, dass die Zeitbegriffe selbst zeitlichen Paradigmen unterlagen und diese wiederum immer mit dem Stand der Medientechnik zusammenhingen. Die Frage nach der Vorgängigkeit performativer oder operativer Zeitstrukturen (McLuhans «Extensions of man» vs. Kittlers «medientechnisches Apriori») soll hier nicht entschieden werden. Fakt ist, dass sich Sokrates, Nietzsche oder Deleuze durchaus um den Einfluss der «Aufschreibesysteme» (Kittler) auf die Vorstellungskraft bewusst waren. Deutet man das als «Gleichursprünglichkeit» von Denken und technischer Implementierung, ist eine Konsequenz, dass «Zeitkritik» zur Geschichtskritk wird (Ernst). Die These soll nicht sein, dass die gängigen Vorstellungen von Ablaufstrukturen durch die Gegenwart technischer Medien gänzlich aufgehoben würden, denn die scheinbar vergangenen Systeme bleiben hier immer verschachtelt eingebettet, so McLuhan. Aber wenn Zeitachsenmanipulationen in Bild- und Tonspeichern möglich sind, wenn man synchronisiert, live überträgt und in der Echtzeit von (vernetzten) Schaltkreisen und Algorithmen rechnet – und dabei noch weit entfernt ist von der «Spukwirkung» der Überlichtgeschwindigkeit (Einstein) in Quantencomputern –, wird die universelle Sequentialität unterlaufen. Natürlich läuft währenddessen Newtons Kosmos absoluter Zeit weiter und prägt die Umwelterfahrung, wird aber in der Ubiquität systemtechnischer Simulakren überlagert von deren diskreten Codes, Eigenzeiten, Beschleunigungen und Geschwindigkeiten. Zeit ist in mediengenerierter Prozessualität nicht einfach gegeben, sondern eine extensive Größe. Deshalb soll dargestellt werden, wie mit Zeit als zentralem, messtechnischem Parameter in einzelnen Systemen verfahren wird.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Christopher Lorenz: "Status Quo 3.0 Dissertationsprojekt 'Das Zeit-Kritische Feld als weitere Form der Manipulation durch Medien des 20. und 21. Jh.'" (Dissertation)

Christopher Lorenz: "Status Quo 3.0 Dissertationsprojekt 'Das Zeit-Kritische Feld als weitere Form der Manipulation durch Medien des 20. und 21. Jh.'" (Dissertation)

  • Wann 23.04.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Dieser Vortrag wird den Abschluss bilden einer in 2012 eröffneten und insgesamt dreiteiligen Vortragsreihe zum Dissertationsprojekt mit folgendem Ausgangsmoment – rückblickend auf Vorträge 1 und 2:

Theodor W. Adornos medienkritische Thesen – als in diesem Zusammenhang für die kritische Medienfor- schung wohl prominentester Beitrag gilt das in Zusammenarbeit mit Max Horkheimer entstandene Kapitel „Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug“ aus der Dialektik der Aufklärung (1947) – müssen in ihrer Gesamtheit mit Perspektive der technikepistemologisch orientierten Medienwissenschaft stark gemacht wer- den. Ziel für dieses Dissertationsprojekt ist folglich, die „Zeitkritik“ an Massen-/Medien in eine andere Lesart zu überführen und mithilfe von Adorno zu fragen:

Wie verstehen wir Manipulation & Macht seitens der Medien, wenn ebendiese heute im mikrotemporalen Be- reich selbst prozessieren, entscheiden und somit eine Akzentverschiebung des Begriffs „Medien(-Zeit)-Kri- tik“ evozieren, die den Anspruch der Kritischen Medientheorie aktualisiert als auch transzendiert? Konkreter und kompakter formuliert: Wie kommen Adorno & Algorithmen zusammen?

Für den Status Quo 3.0 ist die Zielsetzung, ebendiese letztgenannte Akzentverschiebung seitens der Medien etwas eingehender zu beleuchten mit Blick auf Recommender Systems, welche helfen, eine Verbindung von Adornos Auseinandersetzungen mit zu seiner Zeit aktuellen Medien, ebenfalls Populärer Musik, und heutigen, Algorithmen prozessierenden Medien zu schaffen.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Axel Roch: "Vortrag zur Ausstellung 'heidersberger. rhythmogramme - das gestimmte Bild'" // Vorführung des Films von Ali Altschaffel zum Rhythmographen // Diskussionsrunde mit Bernd Rodrian, Benjamin Heidersberger, Axel Roch

Axel Roch: "Vortrag zur Ausstellung 'heidersberger. rhythmogramme - das gestimmte Bild'" // Vorführung des Films von Ali Altschaffel zum Rhythmographen // Diskussionsrunde mit Bernd Rodrian, Benjamin Heidersberger, Axel Roch

  • Wann 30.04.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Diskussionsrunde mit:
 
Bernd Rodrian (Leiter Institut Heidersberger)
Benjamin Heidersberger (GF Institut Heidersberger und Sohn des Kuenstlers)
Axel Roch (Co-Kurator der Ausstellung in der Petra Rietz Salon Galerie)
 
 
Davor:
 
Dr. Axel Roch
Vortrag zur Ausstellung
"heidersberger. rhythmogramme - das gestimmte bild"
 
Axel Roch thematisiert das Verhältnis von Licht, Rhythmos, Kunst und Architektur im Hinblick auf die Rhythmogramme Heinrich Heidersbergers. Heidersberger ist bekannt als Architekturphotograph der Nachkriegsmoderne. Nachskizziert wird sein spezifisch künstlerischer Blick, geschult an der "scuola metafisica" bzw. der "pittura metafisica" -- also der metaphysischen Malerei. Anschliessend sollen medienhistorische und kunstphilosophische Aspekte und Thesen in Bezug auf Heinrich Heidersberger als Medienkünstler vorgestellt und diskutiert werden.
 
 
Und eine Präsentation des Films von Ali Altschaffel zum Rhythmographen:
http://vimeo.com/89780677
 
 
Zur Ausstellung:
http://www.petrarietz.com/home.php?l=de&sel=curr
 
12. April - 5. Juli 2014
Do–Sa, 15–18.30 Uhr und nach Vereinbarung
zum Gallery Weekend vom 1. - 4. Mai von 12 - 19 Uhr
 
Die Petra Rietz Salon Galerie zeigt circa 40 Rhythmogramme des Künstlers und Fotografen Heinrich Heidersberger (1906–2006).
 
Die abstrakten Fotografien nahm Heidersberger mit einer eigens konstruierten Maschine auf. Dabei setzten vier Pendel einen Lichtpunkt in Bewegung, der in einer Langzeitbelichtung aufgenommen wurde. Die Werkserie der Rhythmogramme, die zwischen 1953 und 1965 entstanden ist, fand schon bald ein begeistertes Publikum: Zu den prominentesten Käufern zählte der französische Künstler Jean Cocteau, der Picasso 1956 mehrere Exemplare schenkte. Die zeitlos wirkenden Kompositionen wurden auch im angewandten Kunstbereich eingesetzt, unter anderem verwendete der Südwestfunk in den 1960er-Jahren ein Rhythmogramm von Heidersberger als Logo.
 
Im 175. Jubiläumsjahr der Fotografie werden die Rhythmogramme erstmals in einer Schau in Berlin zu sehen sein. Die Ausstellung „heidersberger. rhythmogramme – das gestimmte bild“ verortet die preisgekrönten Lichtbildkompositionen innerhalb des Gesamtwerks von Heinrich Heidersberger, der als Fotograf, Maler, Tüftler und Medienkünstler tätig war. Darüber hinaus werden die fotografischen Experimente in einen kunst- und medientheoretischen Kontext gestellt. Parallel zur Ausstellung erscheint die Publikation „Heinrich Heidersberger. Light Harmonies“ im Hatje Cantz Verlag.
 
Heinrich Heidersberger taufte seine Lichtbilder Rhythmogramme, die selbstgebaute Maschine nannte er Rhythmograph. Diese aus dem Bereich der Musik entlehnten Begriffe beschreiben die harmonischen Kompositionen als „gestimmte Bilder“, die auf einem von Heidersberger vorgegebenen Schwingungsverhältnis der Pendel basieren.
 
1955 verwendete Heidersberger seine Erkenntnisse über harmonische Schwingungen in einem großflächigen Wandbild für die neu gebaute Ingenieurschule in Wolfenbüttel – der heutigen Fachhochschule. Darin dienten die Schwingungen noch als graphisches Verbindungselement zur Visualisierungen der verschiedenen technischen Disziplinen der Hochschule. In den folgenden Jahren verfeinerte Heidersberger die Herstellungsmethode seiner Figuren und entwickelte immer komplexere Strukturen. Die anfänglich rudimentären Bilder wandelten sich in exakt komponierte Schwingungsbilder.
Betrachtet man ihre chronologische Reihenfolge, was an Hand der Archivierungsnummern leicht möglich ist, so lassen sich beispielsweise die Entwicklungen zur Symmetrie der Figuren oder die Entstehung neuer Varianten durch Solarisation (Umkehrung von Negativ in Positiv durch Überbelichtung) oder Umkopieren nachvollziehen. Bereits 1962 wurden die Rhythmogramme in der Galerie Brusberg in Hannover gezeigt. 1957 gewann Heidersberger mit einer Fotografie die Silbermedaille auf der Triennale in Mailand. Im Jahr zuvor lernte Heinrich Heidersberger Jean Cocteau im südfranzösischen Mougins kennen. Cocteau, der dort Picasso besuchte, war so beeindruckt, dass er dem Meister einige Arbeiten als Geschenk übergab.
 
Der Rhythmograph, der in der Ausstellung in einem Film zu sehen sein wird, ist eine Maschine aus Stahlrohren, Gelenken und Gewichten, die einen bewegten Lichtpunkt mittels mechanischer Pendel, einem Spiegel und einer Kamera mehrere Minuten lang aufnimmt. Der Lichtpunkt wird dabei mit zwei Blenden zu einem annähernd parallelen Lichtbündel formiert. Dieses Lichtbündel trifft auf einen beweglichen Oberflächenspiegel, der mechanisch mit den vier Pendeln gekoppelt ist. Das Lichtbündel wird in eine selbst konstruierte Kamera mit Mattscheibe gelenkt, die Heidersberger zur Beobachtung diente. Die Pendel wurden von Heidersberger in Bewegung gebracht und der Lichtstrahl in Langzeitbelichtung aufgenommen. Durch das rhythmische Ausschalten des Lichtstrahls während der Belichtung entstanden geschichtete Figuren, ebenso wie durch das Ineinanderkopieren verschiedener oder gleicher Muster.
 
Die analog entstandenen Rhythmogramme von Heinrich Heidersberger erinnern heutzutage auch an digitale Kunst. Bereits 2006 rückte der Kunstverein Wolfsburg die Arbeiten in den Kontext der Geschichte generativer Ästhetik. Die Berliner Ausstellung in der Petra Rietz Salon Galerie erweitert diesen Rahmen und begreift die vielfältigen Arbeiten des Künstlers als eine Auseinandersetzung der Künste mit den Medien.
 
Heinrich Heidersberger wurde 1906 in Ingolstadt geboren und wuchs in Österreich auf. Seine künstlerische Laufbahn begann er als Maler. Von 1928 bis 1931 lebte er in Paris und schrieb sich in die École Moderne von Fernand Léger ein. Dort war er mit vielen Surrealisten befreundet. Auf dem Flohmarkt erstand er eher zufällig eine Kamera und widmete sich in den Folgejahren der Fotografie. Bereits Ende der 1940er-Jahre publizierte er die ersten Reportagen unter anderem im Magazin „Stern“. 1961 zog es Heidersberger nach Wolfsburg. Dort dokumentierte er das Leben in der rasant wachsenden Industriestadt. Die Aufnahmen aus dieser Zeit gelten bis heute als Ikonen der deutschen Nachkriegsmoderne.
Das Werk von Heinrich Heidersberger ist äußerst vielfältig und reicht von der Architektur- und Industriefotografie über die abstrakte Fotografie bis hin zur Dokumentation. Werke von Heinrich Heidersberger befinden sich heute in internationalen Museen, unter anderem im Museum of Modern Art in New York. Heidersberger war in zahlreichen Ausstellungen vertreten. 2008 widmete ihm das Kunstmuseum Wolfsburg eine umfassende Einzelausstellung. Seit über zehn Jahren beschäftigt sich das Institut Heidersberger intensiv mit der Aufarbeitung seines Œuvres.
 
Kuratoren: Axel Roch und Bernd Rodrian
 
http://www.petrarietz.com/db_press/PM_Rhythmogramme_PRSG_pr_de_24.pdf
 
Publikation: Heinrich Heidersberger – Light Harmonies
Hatje Cantz Verlag, Hrsg. Andrew Witt (Harvard University, Cambridge, MA)
dt./ engl., 128 Seiten, 120 Abb., 2014, ISBN 9783775737746

 

Jon Inge Faldalen: "Still Einstellung: Stillmoving Imagenesis" (Dissertation)

  • Wann 07.05.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Jon Inge Faldalen (PhD Candidate, Department of Media and Communication, University of Oslo)​ presents parts of his doctoral dissertation "Still Einstellung: Stillmoving Imagenesis" (supervised by professor Liv Hausken and co-supervised by professor Wolfgang Ernst; forthcoming, 2014), focusing mainly on his forthcoming article "Still Einstellung: Stillmoving Imagenesis", to be published in a special issue of Discourse: Journal for Theoretical Studies in Media and Culture entitled "Motion Pictures: Politics of Perception​" (Wayne State University Press, vol. 35, no. 2, guest editors: Bettina Papenburg and Marta Zarzycka, forthcoming, 2014). The dissertation and the article argue that the still Einstellung (most often called a static or stationary shot, or a fixed frame camera setup) causes and conditions what Faldalen terms "stillmoving imagenesis". He contends that the still Einstellung (through reflections, shadows, film, video, and digital imagenesis) dissolves the dichotomy Still vs. Moving imagenesis, resulting rather in atrichotomy of imagenesis: Stillmoving/Still/Moving. Through an (im)media archaeological discussion of natural water reflections and rock shadows, he contends that the stillmoving is the spring of imagenesis. Contemporary technologies, artists and scholars visit this spring to quench their thirsts. 

Prof. Dr. Linda Breitlauch: Vortrag zum Thema "Game Design"

  • Wann 14.05.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Frau Prof. Dr. Linda Breitlauch von der Hochschule Trier berichtet aus Ihrem Arbeitsfeld „Game Design“, zu welchem sie im vergangenen Jahr an der Berliner "GA Hochschule der digitalen Gesellschaft“ einen eigenen Studiengang etabliert hat. Die Veranstaltung wird moderiert von Dr. Stefan Höltgen.

 
Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Yvonne Lohmann: "Präsenzerzeugende Medien - Das Phänomen der Gleichzeitigkeit im analogen und digitalen Fernsehen" (Master-Arbeit)

Yvonne Lohmann: "Präsenzerzeugende Medien - Das Phänomen der Gleichzeitigkeit im analogen und digitalen Fernsehen" (Master-Arbeit)

  • Wann 28.05.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Mit dem Begriff des Live-Fernsehens schwingen der Eindruck von Zeitgleichheit, aber auch von Überbrückung räumlicher Entfernung mit. Beide Aspekte sollen ausgearbeitet und im Verlauf der Betrachtungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung durchleuchtet werden. Da die Arbeit und wissenschaftlichen Betrachtungen im Entstehungsprozess sind, wird der derzeitige Stand der Arbeit präsentiert und Einblick in verschiedene Unterpunkte gegeben.

 

Das Thema Gleichzeitigkeit soll zunächst unter den Gesichtspunkten Geschichte und technische Entwicklung sowie der Perspektive der Zeit im Live-Fernsehen betrachtet werden. Live wird dabei als eine der ureigensten Eigenschaften des Fernsehens verstanden, da bis Ende der fünfziger Jahre eine Speicherung der übertragenen Bilder nicht möglich war. Dies änderte sich mit der Magnetbandaufzeichnung. Durch die Möglichkeit der Nachbearbeitung und Variation der Erzählzeiten, geht der Reiz des Live-Charakters, den das Fernsehen seither gegenüber des Genres Film auszeichnete, verloren.

 

Interessant erscheint vor diesem Hintergrund, wie der Live-Charakter Jahre später durch die Digitalisierung erneut im Umbruch steht. Der technologische Wandel wirft bei der Entwicklung vom analogen zum digitalen Fernsehen die Frage auf: Was verändert sich durch die Digitalisierung - einerseits für die Produktionsbedingungen, andererseits für den Übertragungsweg? Um der Frage nachzukommen sollen die Veränderungen des Live-Phänomens anhand der Unterscheidung in die Begrifflichkeiten “Live” und “Real Time”, also “Echtzeit”, analysiert werden. Wie deutlich werden wird, handelt es sich strenggenommen bei Live-Übertragungen im digitalen Fernsehen nicht mehr um live, sondern um Echtzeit.

 

Weiter wird das Thema Gegenwartserlebnis und Mary Ann Doanes Unterscheidung von live-übertragenen TV-Ereignissen in “Information, Crisis, Catastrophe” diskutiert werden und in einen zeitlichen Kontext, unter Einbezug des Audience-Flow, gestellt.

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Dr. Stefan Höltgen/Juliane Schütte/Johannes Maibaum/Thomas Nückel: "Rechnen und Leben - Ergebnisse des ersten 2650-Assembler-Projektseminars" (Lecture-Performance)

Dr. Stefan Höltgen/Juliane Schütte/Johannes Maibaum/Thomas Nückel: "Rechnen und Leben - Ergebnisse des ersten 2650-Assembler-Projektseminars" (Lecture-Performance)

  • Wann 04.06.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Aussterbende Computerplattformen werden heutzutage durch Emulationen scheinbar adäquat emuliert und so "am Leben“ erhalten. Doch Emulatoren können gleichzeitig mehr und weniger als die reale Hardware. Die Projekte im Seminar „Signetics 2650 Programmierworkshop“ zeigen dies auf ganz unterschiedliche Weise.
 
Juliane Schütte hat für den „Signetics Instructor 50“, der der Seminargruppe als Referenzplattform für die Programmierung diente, eine Mathematikanwendung programmiert, mit der es möglich ist, dem eigentlich auf Binär- und Hexadezimalarithmetik beschränkten Computer das Rechnen im Dezimalsystem „beizubringen“. Sie stellt ihr Programm vor und erörtert ihre Hex-Dez-Konversionsroutine im Spannungsfeld medienwissenschaftlicher und mathematischer Fragestellungen.
 
Johannes Maibaum hat sich auf eine Metaebene begeben und nicht in Assembler selbst programmiert, sondern einen eigenen Signetics-2650-Emulator in C für Linux programmiert. Welche Besonderheiten zwischen Quell- und Zielplattform es dabei - insbesondere unter Berücksichtigung beider Zeitverhalten und Hardwareabstraktion - zu berücksichtigen gab, diskutiert er in seinem Vortragsteil.
 
Thomas Nückel implementierte eine Sonderform des bekannten "Game of Life": Die beschränkten Ausgabeports des „Instructor 50“ haben hierbei die Nachbarschafts- und Spielregeln definiert: Sein „Game of Death“ ist ein eindimensionaler, deterministischer, binärer zellulärer Automat, auf der Basis von 8 Leuchtdioden.
 
Zusammen mit dem Kursleiter Dr. Stefan Höltgen hat er danach eine zweite Variante des „Game of Life“ programmiert: Unter dem Titel „Game of Memories“ wird ein Zellulärer Automat vorgestellt, der so nur auf dem Emulator Sinn ergibt, weil dieser die Grenzen der Darstellungsmöglichkeit des „Instructor 50“ überwindet und Speicher sichtbar machen kann. Wie alle Projekte zeigt auch dieses besonders, worin Emulation stark ist: Die „Versoftung“ von Hardware bietet den Programmentwicklern größere Freiheiten und Möglichkeiten, schränkt sie aber auch ein. An „Game of Memories“ zeigt sich die Einschränkung etwa bei der Generierung von Zufallszahlen, die auf der Originalplattform durch physikalische Ereignisse an den Ports entstehen, im Emulator aber „simuliert“ werden müssen. Nückel und Höltgen binden darüber hinaus die grafische Ausgabe Ihres Systems an die Frage der Sichtbarmachung und Epistemologie von Speicher(n) in Digitalcomputern zurück.
 
Die Lecture-Performance dauert circa 70 Minuten.
 
Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Dr. Marija Dragica Anderle/Miro A. Cimerman: "[Neue] Tendenzen" (Filmvorführung und Diskussion)

Dr. Marija Dragica Anderle/Miro A. Cimerman: "[Neue] Tendenzen" (Filmvorführung und Diskussion)

  • Wann 11.06.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Zagreber Avantgarde-Kunst im Schatten von Jalta

Fallbeispiel:   [New] Tendencies   [Neue] Tendenzen   [Nove] Tendencije

[1960] 1961 – 1973 [1978]

Filmvorführung und Diskussion

 

Lecture / artist talk:

Dr. phil. Marija Dragica Anderle

 

ZAG  Kunstgalerie Zittau

Miro A. Cimerman, M. Sc.

 

bcd cybernetic art team  (Vladimir Bonačić, Miro A. Cimerman, Dunja Donassy

                        gegründet 1971 in Zagreb als Spin-off der [Neuen] Tendenzen)

                        Königswinter | Berlin | Zagreb

 

Seit dem 1. Juli 2013 ist die Republik Kroatien 28. Mitglied der Europäischen Union. Aus diesem Anlass erinnert das Kulturprogramm „Kroatien Kreativ 2013+“ („KK2013+“) unter anderem an avantgardistische Künstlerbewegungen, die in Kroatien und insbesondere in Zagreb entstanden und Teile Europas erfassten. Im Rahmen des Kulturprogramms wird das Teilprojekt:

 

Die Multimediale Trilogie

"Fallbeispiel   EXAT 51 – Gorgona – [Neue] Tendenzen

Zagreber Avantgarde-Kunst der 1950er/1960er/1970er im Schatten von Jalta"

Konzept: bcd cybernetic art team

 

als Veranstaltungsreihe präsentiert. Zur Verfügung für die Präsentation stehen zurzeit:

 

     –   Interactive CD-ROM "exat 51 & new tendencies. avant-garde and  international

          events in croatian art in the 1950s and 1960s"…………….……(MSU Zagreb, 2002)

     –   Dokumentarfilm "Kristl"……………………………………..…..…(HTV  Zagreb, 2004)

     –   Dokumentarfilm "Gorgona"………………………………..….......(HTV  Zagreb, 2012)

     –   Dokumentarfilm "neue tendenzen zagreb 1961-1973"…………(HRT Zagreb, 2010)

     –   Trailer der ZKM-Ausstellung:  "bit international.  [Nove] Tendencije - Computer und

           visuelle Forschung, Zagreb 1961-1973"………….…………..(Karlsruhe, 2008/2009)

 

Unter dem Namen [Neue] Tendenz(en) 1, 2, 3 widmeten sich drei Ausstellungen in den Jahren 1961, 1963 und 1965 der Konkreten und Konstruktiven Kunst und der OpArt. Von 1968 bis 1978 befassten sich die Tendenzen 4, 5 & 6 (6 ohne Ausstellung !) in Ausstellungen, Symposien, einem Wettbewerb und der internationalen Zeitschrift bit INTERNATIONAL mit Themen wie Kunst & Wissenschaft, Computer & visuelle Forschung, Kinetische Kunst, Informationsästhetik, Kybernetik – heute noch und wieder aktuellen Themen.

 

Die Digitalen Medien haben manche ihrer Wurzeln in jener Zeit in Zagreb.

 

Wir zeigen den Dokumentarfilm des Kroatischen Radiofernsehens (HRT) über die "letzte Avantgarde" – [Neue] Tendenzen – (60 Minuten, in Kroatisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch mit englischen Untertiteln). Zur Einleitung wird der Trailer der ZKM-Ausstellung vorgeführt. Begleitend wird die interaktive CD-ROM präsentiert. Eine InfoDoku-Ausstellung wird aufgebaut. Bei Interesse zeigen wir weitere Dokumentarfilme.

 

Prof. Dr. phil. Wolfgang Ernst, Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl Medientheorien, wird als Initiator und Gastgeber der Veranstaltung die anschließende Diskussion moderieren.

 

In Zusammenarbeit mit: Museum of Contemporary Art Zagreb

 

Humboldt-Universität zu Berlin | Institut für Musik­wissen­schaft und Medien­wissen­schaft | Medienwissenschaft |  ↳ Medientheorien | Kolloquium | Nikita Braguinski: "Bilder aus Signalen - Ein experimentelles Visualisierungsverfahren" (Dissertation)

Nikita Braguinski: "Bilder aus Signalen - Ein experimentelles Visualisierungsverfahren" (Dissertation)

  • Wann 18.06.2014 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Georgenstraße 47, R. 0.01 (Medientheater)
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Bei der Arbeit an meiner Dissertation, in der ich mich mit den Klängen elektronischer Spielzeuge beschäftige, habe ich festgestellt, dass die heute allgemein angewendeten Visualisierungen (Wellenform und Spektrogramm) eine für mich zentrale Aufgabe kaum erfüllen: Die Illustration des Unterschieds zwischen Unordnung und Ordnung. Insbesondere die auf Pseudozufall basierenden Klänge der Spielkonsole Atari VCS ließen sich nicht in ihrer ganzen mathematischen Durchstrukturiertheit darstellen. In meinem Vortrag werde ich das von mir zu diesem Zweck auf der Grundlage der Ulam-Spirale entwickelte neuartige Visualisierungsverfahren vorstellen und die damit erzeugbaren Bilder demonstrieren.

Die Frage, ob und wie Medien die Wirklichkeiten ihrer Nutzer konstruieren ist, betrachtet man sie nicht bloß als soziologisches Problem, eine zentrale Frage jeder Medienepistemologie. Denn in der medialen Konstruktion von Wirklichkeit schreibt sich das Medium immer schon ein, weshalb die Analyse des Konstruktes immer auch eine Analyse des Mediums sein muss. Ausgehend von einer frühen sprachlichen Beschreibung eines physikalischen Vorganges aus der Kinetik ("Der springende Punkt") durch Aristoteles wird über drei theoretische Scharniere (S. J. Schmidt, F. Kittler, C. Pias) ein Sprung in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts unternommen, in welchem Analog- und Digitalcomputer mit der "Beschreibung" desselben physikalischen Vorgangs betraut wurden, diesen jedoch nicht mehr nur in (programmier)sprachliche Codes kleiden, sondern ihn ihren technischen Aprioris unterwerfen. Im Vortrag wird die unterschiedliche "Simulationstätigkeit" desselben physikalischen Vorgangs durch fünf Sprachen demonstriert: die menschliche Sprache, die analog-elektronische Schaltung (auf dem Telefunken RA-742), die Implementierungen in ANSI-C (auf dem Commodore Amiga), Locomotive BASIC (auf dem Amstrad CPC) und 6507-Assembler (auf der Atari VCS). Dabei wird en passant versucht zu zeigen, warum solche Demonstrationen stets in Echtzeit erfolgen müssen (und damit an ein "Medientheater" gebunden sind) und - im Hinblick auf ein laufendes Buchprojekt -, wie die jeweiligen Simulationen das Wissen um die Grenzen und Möglichkeiten des Computers in der "Retrospektive" nutzbar machen.
 
Dauer ca. 60 Minuten mit vier unterschiedlichen Simulationsdurchläufen in Echtzeit - danach: Diskussion