Humboldt-Universität zu Berlin - Musikwissenschaft

Herz und Stimme

Musik als Ausdruck des »unaussprechlichen« Gefühls, als Klang gewordene Leidenschaft – das ist eine Idee, deren Ursprung gewöhnlich in der Empfindsamkeitskultur des 18. Jahrhunderts gesucht wird. Fuhrmann zeigt, dass diese Vorstellung eine lange Geschichte hat:

Von den Kirchenvätern bis in den Pietismus haben christliche Autoren über Innerlichkeit, Affekt und Gesang im Gottesdienst Überlegungen angestellt. Die Forderung, man solle mit dem Herzen – als Metapher der Innerlichkeit – und der Stimme – als Ausdrucks-Organ – zugleich singen, ist stets aufs Neue gestellt worden. Die Spannungen zwischen »objektiver« Liturgie und »subjektiver« Existenz, zwischen asketischer Verinnerlichung und dem Reiz stimmlicher Schönheit, prägen eine andere, eine neue Geschichte, mittelalterlicher Musikanschauung. Sie wird hier erstmals erzählt.