Humboldt-Universität zu Berlin - Musikwissenschaft

Gastvorlesungsreihe im Sommersemester 2025

Collegium Musicologicum, Am Kupfergraben 5, 10117 Berlin, Raum 501, Beginn der Vorträge: 18 Uhr s.t.

  • Donnerstag, 15. Mai 2025, 18 Uhr

Miriam Akkermann (Freie Universität Berlin)
With(in) control - Musik in und mit technologisch geprägten Aufführungsumgebungen 

Der Einsatz von digitalen Technologien ist im 21. Jahrhundert im Bereich Musik ebenso alltäglich wie vielfältig. Doch während einerseits die Möglichkeiten des Musizierens und Aufführens durch den Technologie-Einsatz in vielfältiger Weise erweitert werden, verlangt gerade der Einsatz digitaler (Musik-)Technologien andererseits viel Aufmerksamkeit und Zeit von Komponierenden und Aufführenden – Musiker:innen und Techniker:innen. Denn verwendeten Technologien entscheiden nicht nur über Klangoptionen und Interaktionsmöglichkeiten, Handhabung und Funktionalität wirken sich auch auf die Möglichkeiten musikalischer Interaktion in Live-Settings aus: die technische Einrichtung – die eingesetzten Technologien, die Art und Weise, wie diese eingesetzt werden, aber auch die gesamte technische Anlage einer Aufführungssituation – kann Auswirkungen auf die musikalische Aufführung haben. Umgekehrt, kann über das technische Setting das künstlerische Ergebnis beeinflusst werden. Dies gilt auch im Kontext improvisierter Musik. Doch wie beeinflussen technische Set-ups die Möglichkeiten der Musizierenden? In welchem Verhältnis stehen künstlerische Ideen und eingesetzte Technologien? Und inwiefern bedingen sich technische Einschränkungen und künstlerische Möglichkeiten? Dies wird mit besonderem Fokus auf den Handlungsspielraum der Musiker:innen betrachtet.

Miriam Akkermann ist Musikwissenschaftlerin und Klangkünstlerin. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, Computermusik und Musiktechnologie, digitale Musikwissenschaft, musikalische Aufführungspraxis und Musikarchivierung, sowie die Untersuchung der Wirkung von Musik auf Schlaf. Sie wurde an der Universität der Künste Berlin im Fach Musikwissenschaft promoviert und habilitierte sich an der Universität Bayreuth. Seit April 2024 hat sie die Ernst-von-Siemens Musikstiftungsprofessur an der FU Berlin inne.

 

 

  • Donnerstag, 22. Mai 2025, 18 Uhr

Elizabeth Margulis (Princeton University)
Musical imaginings as a pathway to understanding intersubjectivity in spontaneous thought 

This talk reports on a series of studies that leverage music listening to study the relationship between perception and imagination. Studies on music perception often presume a listener who is focused on sequences of notes, but auditory processing alone can't help us understand why people spend on average a quarter of their waking hours listening to music. People spend an even greater proportion of their days immersed in spontaneous thought, wandering from topic to topic without deliberate effort. In recent research, we've shown that the spontaneous thought people experience during musical listening consists largely of vivid autobiographical memories and fictional imaginings. People have a sense that their imaginings are idiosyncratic and personal, but analyses of free response descriptions reveal that within a culture, they are in fact broadly shared, even when cued by novel, unfamiliar excerpts. In addition to shared content, these imaginings also unfold with shared temporal structure. Theoretical and methodological advances in studying spontaneous thought during music listening thus offer a unique lens into involuntary mental imaginings that are subjective yet structurally aligned with a stimulus.

Elizabeth Margulis
is Professor and Director of the Music Cognition Lab at Princeton University. She is the author of On Repeat: How Music Plays the Mind (Oxford University Press), which won the Wallace Berry Award from the Society for Music Theory and the Virgil Thomson/Deems Taylor Award from the American Society of Composers, Authors and Publishers, and of The Psychology of Music: A Very Short Introduction (Oxford University Press), which has been translated into six languages. Her recent co-edited volume, The Science-Music Borderlands: Reckoning with the Past and Imagining the Future (MIT Press), won the Ruth A. Solie Award from the American Musicological Society.



  • Donnerstag, 19. Juni 2025, 18 Uhr

Tobias Robert Klein (Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Stuttgart)
Dokumente zur Geschichte des Seminars/Instituts für Musikwissenschaft der Humboldt-Universität - Teil 2: Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

Auch für die Jahre des Nationalsozialismus und der sich anschließenden Zeit im zertrümmerten Nachkriegsberlin fehlt bislang eine Darstellung der Institutsgeschichte, die neuere Ansätze der Wissenschaftstheorie und -geschichte mit einem quellengesättigten Blick auf die alltägliche Mikrohistorie von Studienbetrieb, Forschungssthemen und Karrierestrategien verbindet: Profilierungoptionen ergeben sich, abgesehen von der Ebene des Mittelbaus, besonders auf dem mit der Vertreibung von Curt Sachs und Erich Moritz von Hornbostel brachliegenden systematischen Zweig des Fachs, während das mit Arnold Scherings Tod 1941 verwaiste musikhistorische Ordinariat erst 1946 in einem überraschend traditionellen Sinne neu besetzt wird.

Tobias Robert Klein studierte Musikwissenschaft, Afrikanistik und Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist – nach vorherigen Stationen in Magdeburg, Gießen, am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung sowie an der Humboldt-Universität (Privatdozent und Vertretungsprofessor) – seit Oktober Wintersemester 2025 Professor für Musikwissenschaft an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit reicht vom Mittelalter über das 18. bis hin zum 20. Jahrhundert, wozu als spezifische Fragen- und Themenkomplexe u.a. die Beziehung von Musik- und Wissensgeschichte, Theorie und Geschichte des Musiktheaters oder die globale Musikhistorie (Schwerpunkt: Ghana und Westafrika) treten. Auf fachgeschichtlichem Gebiet erschien 2022 eine Auswahledition der Briefe von Carl Dahlhaus.



  • Donnerstag, 03. Juli 2025, 18 Uhr

James Rhys Edwards (Sinus Institut, Berlin / University of Amsterdam)
Quantitative methods and data in (popular) music research: A very short introduction



  • Donnerstag, 10. Juli 2025, 18 Uhr

Buchvorstellung durch Thomas Wozonig (Kunstuniversität Graz) mit anschließendem Vortrag von Arne Stollberg (Humboldt-Universität zu Berlin)
In Kooperation mit dem Staatlichen Institut für Musikforschung PK

Karl Böhm – Biografie, Wirken, Rezeption, hrsg. von Thomas Wozonig, München 2025
(Buchvorstellung durch Thomas Wozonig)

Feuer und Kreuz. Die Tannhäuser-Ouvertüre in einem Konzertfilm des Jahres 1948 mit den Wiener Philharmonikern unter Karl Böhm
(Vortrag von Arne Stollberg)


1948 realisierte die Österreichische Wochenschau- und Filmproduktionsgesellschaft Hübler-Kahla & Co. im Auftrag der New Yorker Ambassador Films eine Reihe von "musikalischen Kurzfilmen mit den Wiener Philharmonikern", bei denen es darum ging, "typisch österreichische Musik, beziehungsweise klassische Musik in österreichischer Interpretierung [...] der ganzen Welt nahe[zu]bringen". Dazu zählte auch die Verfilmung einer Aufführung von Wagners Tannhäuser-Ouvertüre unter Karl Böhm, durch den Regisseur Leopold Hainisch visuell auf eine Weise gestaltet, die in der intermedialen Konstellation gleich mehrere Fragen aufwirft: Wie werden Orchester und Dirigent in Szene gesetzt? Welche Rolle spielen die im Film verwendeten Symbole, mit denen offenbar die Bedeutung der Musik illustriert werden soll? Und wie lässt sich dies aus historischer und mentalitätsgeschichtlicher Perspektive auf die intendierte Selbstdarstellung des "Musiklandes Österreich" in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg beziehen? Der Vortrag bildet eine Ergänzung zu dem reichen Panorama, das in dem von Thomas Wozonig herausgegebenen Sammelband über Karl Böhm entfaltet wird, und knüpft zugleich an die dort gebotenen Forschungsergebnisse an.

 

 

  • Donnerstag, 17. Juli 2025, 18 Uhr

Rim J. Irscheid (King's College London)
Reactivating the Archive: Conceptions of Arab modernity in Contemporary Sound and Mixed-Media Art

This lecture discusses how contemporary sound and mixed-media artists from the SWANA region engage with, disrupt, and reimagine Arab modernity through critical archival practices. Focusing on artists based in Beirut, Berlin, and London, it examines how cultural production is shaped by structural and economic pressures, particularly for migrantised musicians navigating European arts institutions and funding bodies that often reproduce binaries of tradition and modernity, along with neo-Orientalist narratives that fetishise war and protest.

Drawing on ethnographic fieldwork conducted in Lebanon and Germany (2020–2023), the lecture reflects on how cultural policy defines what kinds of music and memory are considered fundable, and how this impacts artists who are seen as either "too modern" or "not modern enough." It highlights the affective, social, and intellectual labour involved in cultural work, and the kinship networks formed among musicians, researchers, and arts administrators experimenting with archives and memory through alternative curatorial frameworks.

Some artists revisit ideas of tradition in the diaspora, while others reject these categories entirely, turning instead to sensory and speculative practices grounded in critical fabulation (Hartman 2008; Hochberg 2021). Engaging with the work of Claire Bishop (2024) and Hanan Toukan (2019), the lecture considers how artists challenge dominant regimes of spectatorship and the white gaze. Ultimately, it asks: what forms of memory emerge when the archive is not only reactivated, but sometimes refused altogether?


Dr. Rim Irscheid
is a postdoctoral researcher at King's College London, working on experimental music and archival interventions across Middle Eastern contemporary sound and visual arts. Combining ethnographic research and curatorial practice, her practice-based research is looking at artist-led institution building, emotional aspects of creative labour, and interpretations of care and solidarity in curatorial activism. In 2021, she won a British Forum for Ethnomusicology (BFE) Fieldwork Grant Award. She holds a PhD from King's College London, a Masters in Musicology from the University of Oxford, and a BA in Musicology and Psychology from the University of Heidelberg.