Humboldt-Universität zu Berlin - Medienwissenschaft

Spiel/Regel(n)/Bruch – Analoge Devices an digitalen Spielen

Dr. Stefan Höltgen

Donnerstag, 12.04.2012, 15:15–16:00 Uhr.

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Abstract

Spätestens an seinen Schnittstellen kommt der Digitalcomputer (wieder) mit analogen Signalen in Kontakt. Schon die ersten Input-Devices haben die kontinuierlichen Eingabebewegungen des Computernutzers zunächst analog codiert, um sie danach erst zu digitalisieren, damit sie weiterverarbeitet werden können. Am Beispiel der Video- und Computerspiele zeigt sich dies besonders deutlich: Higginbothams 1958 auf einem Analog-Computer realisiertes „Tennis for Two“ nutzte Drehregler/Trimmpotenziometer zur Spielsteuerung. Diese fanden sich eineinhalb Jahrzehnte später an der mit diskreter Dioden-Transistor-Logik aufgebauten Spielkonsole „Odyssey“ von Magnavox wieder und wurden kurz darauf dann ebenso als Paddles für Ataris digitales Pendant „Pong“ genutzt. Ähnliche Historien lassen sich für analoge und digitale Joysticks, Trackballs und anderes suchen und finden. Der Vortrag rekonstruiert zum einen diese Geschichte des Digital-Analog-Zusammentreffens am Game-Port (unter Einbeziehung der Hand als Eingabe-Medium) und zeigt, wie findige User und Cracker andererseits die A/D-Grenzfläche als Pforte für Cheats und Regelbrüche nutz(t)en, um digitale Spiele ohne Eingriff in deren Code zu überlisten. An praktisch vorgeführten Beispielen wird die Zeitmanipulation des Spielablaufs, der Zusammebruch der Digitaleingabe und der Re-Entry der motion control aus neuen in alte Spiele vorgeführt.

Videomitschnitt

http://youtu.be/u_JUoyF94gQ

Kurzvita

Stefan Höltgen - Dr. phil. (Jahrgang 1971) studierte zwischen 1996 und 2000 Germanistik, Philosophie, Soziologie und Medienwissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 2009 promoviert er mit einer Dissertation über "Medien- und Gewaltdiskurse im authentischen Serienmörderfilm" an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Seit 2008 lebt und arbeitet er in Berlin als freier Journalist und Publizist und ist dort seit 2011 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Medienwissenschaft der Humboldt-Universität tätig. Dort betreibt er ein Forschungsprojekt zur Archäologie der Programmiersprachen. Neben Buchpublikationen und Herausgeberschaften schreibt er regelmäßig Film- und Videospiel-Kritiken, Rezensionen und Artikel mit den Schwerpunkten Film, Medien, Kultur und Technik (sowie deren Geschichte und Wissenschaften) für Sammelbände, Magazine und Zeitschriften. Seit 2007 ist er Mitarbeiter beim freien Forschungsverbund postapocalypse.de.