Humboldt-Universität zu Berlin - Medienwissenschaft

Hans-Christian von Herrmann: Vom Ende des Theatralen im Virtuellen

  • Was Kolloquium „Medien, die wir meinen“
  • Wann 11.02.2004 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Sophienstraße 22a, R. 0.01 (Medientheater)
  • iCal
Dem Auseinandertreten von Aufführung und Drama, das sich um 1900 sowohl von der Seite des Theaters als auch von der Seite der Literatur aus vollzieht, entsprechen nicht nur die Neudefinition bzw. Neuprägung der Begriffe Theater/Theatralität und die ‚Entdeckung‘ des Performativen in Avantgarde und Theaterwissenschaft; ihm entspricht auch ein Konzept der Aufführung als eines über Schalter und Regler gesteuerten audiovisuellen Ereignisses, wie es das Regietheater des 20. Jahrhunderts von Max Reinhardt bis Peter Stein bestimmt hat. Wenn demgegenüber heute der lebendige Körper zunehmend als Wesen und Grenze des Theatralischen gilt, so übergeht diese Abkehr von der Künstlichkeit und Technizität der Bühne die Tatsache, daß es die neue elektrische Beleuchtungstechnik war, die ihm seit Adolphe Appia und Georg Fuchs seinen von aller Literatur befreiten Bewegungsraum eröffnet hat. Vermutlich hat man in diesem Rückzug eine Reaktion auf die Theatralisierung der elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien zu sehen, angesichts derer die Bühne ihre alte Kraft zur symbolischen und imaginären Verdopplung des Körpers verlieren könnte, so daß die Schauspieler in den Augen ihrer Zuschauer nackt erscheinen, ganz so wie der Kaiser im Märchen von den neuen Kleidern.