Humboldt-Universität zu Berlin - Medienwissenschaft

Funny Games mit Matthias Bernd Wannhoff

  • Was Kolloquium „Medien, die wir meinen“
  • Wann 28.04.2010 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Sophienstraße 22a, R. 0.01 (Medientheater)
  • iCal

Filmlektüre als Medienarchäologie: Verstehen versus Technik in FUNNY GAMES

FUNNY GAMES von Michael Haneke (Österreich 1997; US-Remake 2007) ist ein skandalöser Film. Zum einen entzieht sich sein Stoff einem unmittelbaren diskursiven oder hermeneutischen Nachvollzug: Handelt er doch von zwei  Männern, die offenbar motivlos in das Ferienhaus einer Familie eindringen, um diese zu foltern und sukzessive zu töten. Zum anderen bricht der Film mit jener Alltagserfahrung, derzufolge Medien im Moment ihrer Nutzung in der Regel „unsichtbar“ werden: Denn Haneke lässt technische Medien wie Fernsehen und Video selbst in die Diegese einwandern, bis beide Ebenen miteinander identisch werden und die Handlung mittels intradiegetischer Fernbedienung von einem der beiden Verbrecher selber zurückgespult wird.

Hanekes Film ist in seiner akademischen Rezeption bislang vornehmlich unter (medien-)soziologischen Gesichtspunkten diskutiert worden. Demgegenüber behauptet der hiesige Vortrag, dass das „Nicht-Verstehbare“ im Handeln der beiden Film-Mörder zusammenfällt mit dem „Unlesbaren“ in Gestalt von Medientechnologien, wie sie ihrerseits unablässig die Erzählung kreuzen. Theoretischer Ausgangspunkt ist hierbei, dass sich die Lehre vom Verstehen alias Hermeneutik seit ihrer Entstehung maßgeblich der Exegese von Schriftstücken gewidmet hat, wohingegen apparative Medien den Menschen, also das vermeintliche Subjekt des Verstehens, stetig in seinen Perzeptions-, Gedächtnis- und Verarbeitungsleistungen überholen. Anhand einer Lektüre von Hanekes Film am Leitfaden von Oppositionen wie Mensch vs. Medium, Hermeneutik vs. Nachrichtentheorie oder Linearität vs. Nicht-Linearität wird mithin ein interpretatorischer Zugang erprobt, der als „medienarchäologische Filmanalyse“ umschrieben werden könnte.