Christoph Borbach: „Delay – Mediengeschichten der Verzögerung, 1850-1950"
- https://www.musikundmedien.hu-berlin.de/de/medienwissenschaft/medientheorien/kolloquium1/christoph-borbach-delay-mediengeschichten-der-verzoegerung-1850-1950
- Christoph Borbach: „Delay – Mediengeschichten der Verzögerung, 1850-1950"
- 2024-02-14T18:00:00+01:00
- 2024-02-14T20:00:00+01:00
- Wann 14.02.2024 von 18:00 bis 20:00
- Wo Medientheater Raum 001 Georgenstraße 47
- Name des Kontakts constantin.matti.roth@hu-berlin.de
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Im Jahr 1802 gab sich Verzögerung im auf dem Berliner Gendarmenmarkt neueröffneten Nationaltheater als inakzeptabler Nachhall zu hören. Es war damals nicht abzusehen, dass solche Störung einmal produktiv werden sollte. Doch seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandert Signallaufzeit (signal propagation delay) als sinnstiftender Akteur durch unterschiedliche Diskurse und ihre Praxis: Diagnostische Medizin, Hydrographie, Postwesen, Militär und Computertechnik. Diese Dissertation widmete sich daher nicht der Geschichte eines Mediums, sondern dem heterogenen Medienwerden eines vermeintlich kulturfernen physikalischen Phänomens: den Signallaufzeiten von Schall und Licht. Um 1850 wurden diese auf apparativer Basis erforscht, um in den darauffolgenden Jahrzehnten zu (Sensor-)Medien der Fernerkundung, Vermessung, Navigation und Speicherung zu avancieren. Bis 1950 materialisierten sich Übertragungstechniken des Delays in heterogenen Mediengefügen wie dem Echolot, der Sonographie, dem Sonar, akustischen delay lines und dem Radar sowie in ersten tendenziell globalen Navigationsinfrastrukturen. Diese erlaubten es, submarine Weltbilder zu revidieren, biologische Körper zu vermessen, Daten flüchtig zu speichern oder Luftlagen zu bestimmen. Insbesondere das von der Medienwissenschaft vernachlässigte Radar ist entschieden an der Erforschung und Realisierung von Charakteristika unserer Medienkultur wie bidirektionalen Bildschirmen, der Pulse-Code-Modulation oder dem System Design beteiligt. Methodisch stützt sich das Buch auf einen Mix aus historischer Praxeologie und Medienarchäologie, wobei das Erkenntnisinteresse auf Basis von Fallgeschichten modelliert wird. Diese schildern wiederholt die Erkenntnis der Produktivität von Signallaufzeiten, Delays, als kritischem Parameter medialer Übertragungen. In diesem Sinne verschiebt sich der Fokus von Übertragungen zwischen Akteuren hin zur Übertragung als Akteur. Von diesem ausgehend fragt die Arbeit nach raumerzeugenden und raumvermessenden Praktiken, die medientheoretisch relevante Fragen aufwerfen: Was, wenn Verzögerung nicht das notwendige Übel jeder Signalsendung ist, sondern zur kritischen Qualität avanciert? Was, wenn Räume durch Übertragungen nicht überwunden, sondern vermessen werden? Und ist das Delay nicht eine genuine Medienfunktion?
Buchinformationen auf der Seite des Verlags: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5234-5/delay-mediengeschichten-der-verzoegerung-1850-1950/