Humboldt-Universität zu Berlin - Medienwissenschaft

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Bernd Mahr: Denken in Modellen – Zur Historizität des mathematischen Wissens

  • Was Kolloquium „Medien, die wir meinen“
  • Wann 05.12.2007 von 18:00 bis 20:00
  • Wo Sophienstraße 22a, R. 0.01 (Medientheater)
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Sieht man im mathematischen Denken ein Denken in Modellen, dann reduziert sich die Frage nach einer zeitlosen Gültigkeit des durch Mathematik erworbenen Wissens auf die Frage nach der Auffassung zu drei Punkten: zur Idee der Widerspruchsfreiheit als einer notwendigen Bedingung des Wissens, zur Akzeptabilität der Logik als einer Disziplin der Deduktion und zur Adäquatheit der Voraussetzungen, unter denen die Aussagen bewiesen werden, die das Wissen formulieren. Durch die mengentheoretischen Grundlagen der Mathematik wird ein Raum konsistenter Denkmöglichkeiten als Modell aufgespannt, in dem die Gegensätzlichkeit von Erfindung und Entdeckung dadurch aufgehoben ist, dass jede Erfindung letztlich als Existenzaussage bewiesen wird und dadurch als Entdeckung aufgefasst werden kann. Dieser Raum von Denkmöglichkeiten umfasst die Denkbarkeit von Zeit, wird selbst aber mit allen seinen Elementen als zeitlos gültig gedacht. Dennoch steht die Mathematik als Disziplin des Denkens in zeitabhängigen Kontexten. Sie besitzt ein Gedächtnis, in dem ihr mögliches Wissen bewahrt, vergessen und wiederentdeckt werden kann. Die Geschichte der Mathematik ist deshalb erhellend. Die beobachtbare Ahistorizität der Mathematik als Disziplin lässt sich durch das mathematische Denken als einem Denken in Modellen erklären, das den Erfindungszusammenhang einer mathematischen Aussage strikt von deren Begründungszusammenhang trennt, und das in der Abstraktion von den Erfindungsbedingungen die Voraussetzung für ein Weiterdenken und für neue Anwendungen sieht.