Humboldt-Universität zu Berlin - Musikwissenschaft

Hanns Eisler im republikanischen Spanien (1931–1939)

DFG-Modul Eigene Stelle
Projektleiter: Dr. Diego Alonso Tomás
 

Projektbeschreibung und Ziele


Welche Rolle spielten Eislers Musik und Ansichten in Spanien während der politisch turbulenten Zeit der Zweiten Republik (1931–1939)? Was waren Eislers Beziehungen mit Vertretern der republikanischen Kultur, Musik und Arbeiterbewegung? Inwiefern war Eisler einflussreich als Komponist und Denker in Spanien? Das Forschungsprojekt Hanns Eisler im republikanischen Spanien hat zum Ziel, diese und weitere Fragen durch eine Untersuchung der künstlerischen und politischen Tätigkeiten des Komponisten in Spanien sowie der dortigen Rezeption seiner Musik und Ansichten bis zum Ende des Bürgerkriegs zu beantworten. Das Projekt setzt eigene Studien über deutsch-spanische Musikbeziehungen in der Zwischenkriegszeit fort, für die meine Dissertation über die Lehrjahre des katalanischen Komponisten Roberto Gerhard bei Arnold Schönberg und die Rezeption der Wiener Schule in Spanien der Ausgangspunkt war.
Im Vergleich zu Eislers Verbindungen zu anderen Ländern (u. a. den USA, England, den Niederlanden, der Schweiz, Brasilien und Mexiko) sind seine Beziehungen zu Spanien wenig erforscht. Dennoch waren sie von größerer Bedeutung als bisher angenommen: Ab Mitte der 1920er Jahre unterhielt Eisler relativ enge Beziehungen mit spanischen Musikern, insbesondere mit dem Schönberg-Schüler Roberto Gerhard (nach Manuel de Falla, der bedeutendste spanische Komponist des 20. Jahrhunderts) und mit dem 1933 nach Barcelona ins Exil gegangenen Berliner Musikwissenschaftler Otto Mayer (1904–1968), besser bekannt nach seinem Exil in Mexiko 1939 als Otto Mayer-Serra.
In den 1930er Jahren publizierten Gerhard und vor allem Mayer-Serra in Mirador – der führenden katalanischen Kulturzeitschrift der Zeit – über Eislers Musik und über seine Positionen zur Rolle zeitgenössischer Musik in der Gesellschaft. Mayer-Serras einflussreiche Schriften für spanische Zeitschriften vor 1939 werden im Rahmen des Projektes ausgewertet und samt einer ausführlichen biographischen und historischen Studie veröffentlicht. Bisher wurde keine wissenschaftliche Studie über Otto Mayer-Serra publiziert.
Eislers erster Besuch in Spanien fand im April 1936 anlässlich des Musikfestes der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Barcelona statt. Eisler und Mayer-Serra kritisierten das Festival mit öffentlichen Aktionen, darunter einem Besuch der Barceloner Fabrikarbeiter während der Eröffnungszeremonie des Festivals. In Barcelona erfuhr Eisler – möglicherweise durch Mayer-Serra – vom Plan einer «Anti-Hitler-Volksolympiade», für die er wenige Wochen später einen olympischen Marsch komponierte. Josep Maria de Sagarra dichtete wenig später ein Lied darauf und betitelte es Himne per a l’Olimpíada Popular. Als solche wurde es nie aufgeführt, der Ausbruch des Bürgerkriegs am Vorabend der Eröffnung der Olimpíada verhinderte deren Durchführung. Während Eislers zweitem (und letztem) Besuch in Spanien im Januar 1937 – sechs Monates nach dem Militärputsch, mit dem der Krieg ausbrach – wurde Eislers Himne vom kommunistischen Schriftsteller José Herrera Petere umgedichtet. Als Marcha del Quinto Regimiento wurde dieses Lied bald eines der bekanntesten Kampflieder des Bürgerkrieges.

 

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In Madrid und Murcia komponierte Eisler einige neue Lieder für die spanische kommunistische Bewegung und die Internationalen Brigaden, darunter No pasarán und Das Lied vom 7. Januar (möglicherweise auch drei weitere nicht überlieferte Vertonungen von Texten Ludwig Renns). Diese Lieder mitsamt Marcha del Quinto Regimiento und der spanischen und katalanischen Fassungen von Solidaritätslied, Der rote Wedding und insbesondere Einheitsfrontlied und Kominternlied spielten eine wichtige Rolle in der republikanischen bzw. kommunistischen Propaganda während des Bürgerkrieges. Die propagandistische Wirkung und der Kontext dieser Lieder werden gründlich analysiert. Ob diese Lieder als Vorbild für die mehr als 100 von spanischen Komponisten in der Anfangsphase des Kriegs geschriebenen Kampflieder fungiert haben könnten, ist noch unklar und wird mittels vergleichender Musikanalyse untersucht.
Die Erforschung von Eislers musikalischen und politischen Aktivitäten und deren Rezeption im Spanien der sogenannten Zweiten Republik (1931–1939) vor Francos Diktatur soll eine Lücke in der Eisler-Forschung schließen und damit einen wichtigen Beitrag zum Thema Musikalische Propaganda leisten.

 

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