Humboldt-Universität zu Berlin - Musikwissenschaft

Speculum Corporis

Das Mittelalter gilt oft als körperfeindlich. Daher scheint es nur konsequent, wenn auch die Musiktheorie jener Zeit zunächst alles Körperliche abwertet.

Andererseits hat der Begriff „Musica" im Mittelalter eine weitere Bedeutung als in der Neuzeit. Er umfaßt nicht nur Hörbares, sondern auch Sicht- und Fühlbares, d.h. Gesten, Tanzschritte und andere Körperbewegungen. Außerdem werden zentrale Gegenstände der Musiktheorie mit Hilfe des Körpers memoriert oder sogar als Körper bezeichnet, wie etwa Noten, Stimmen, Tonarten und Gesänge.

Achim Diehr zeigt anhand zahlreicher Quellen aus 1000 Jahren (vom 4. bis zum 14. Jahrhundert), daß die unterschiedlichen Zuordnungen von Musik und Körper durchaus nicht immer metaphorischen Charakter besaßen, sondern mitunter tatsächlich eine Gleichsetzung meinten.